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überhaupt einen Degen halten?«
»Wir werden sehen«, sagte ich. »Auf jeden Fall kennt er sich
bestens im 18. Jahrhundert aus. Er kommt schließlich von
da.«
Gordon Gelderman holte uns auf der Treppe ein. »Du hast
schon wieder mit der Nische gesprochen, Gwendolyn. Ich
hab's genau gesehen.«
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»Ja, das ist meine Lieblingsnische, Gordon. Sie ist beleidigt,
wenn ich nicht mit ihr spreche.«
»Du weißt schon, dass du wunderlich bist, oder?«
»Ja, lieber Gordon, das weiß ich. Aber wenigstens bin ich
nicht im Stimmbruch.«
»Das geht vorbei«, sagte Gordon.
»Schön wäre, wenn du vorbeigingst«, sagte Leslie.
»Ah, ihr beiden wollt sicher wieder reden«, sagte Gordon.
Er war immer sehr anhänglich. »Das verstehe ich. Ihr habt ja
heute auch erst fünf Stunden die Köpfe zusammengesteckt.
Treffen wir uns nachher im Kino?«
»Nein«, sagte Leslie.
»Ich kann sowieso nicht«, sagte Gordon, während er uns
durch die Vorhalle folgte wie ein Schatten. »Muss diesen blö­
den Aufsatz über Siegelringe schreiben. Sagte ich schon, dass
ich Mr Whitman hasse?«
»Ja, aber erst hundertmal«, sagte Leslie.
Ich sah die Limousine vor dem Schultor stehen, noch bevor
wir hinaustraten. Mein Herz begann, ein bisschen schneller zu
schlagen. Noch immer war mir der gestrige Abend entsetzlich
peinlich.
»Wow! Was ist denn das für ein Schlitten?« Gordon pfiff
leise durch seine Zähne. »Vielleicht stimmen die Gerüchte ja
doch, dass Madonnas Tochter bei uns auf die Schule geht -
inkognito natürlich und unter falschem Namen.«
»Klar«, sagte Leslie und blinzelte in die Sonne »Und des­
halb wird sie auch von einer Limousine abgeholt. Damit es
nur ja keiner merkt, das mit dem Inkognito.«
Die Limousine wurde von einigen Schülern begafft. Auch
Cynthia und ihre Freundin Sarah standen auf der Treppe und
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glotzten. Allerdings glotzten sie nicht zur Limousine, sondern
ein Stück weiter nach rechts.
»Und ich dachte, die alte Streberin hätte mit Jungs nichts
am Hut«, sagte Sarah. »Schon gar nicht mit solchen Pracht­
exemplaren.«
»Vielleicht ist es ihr Cousin«, sagte Cynthia. »Oder ihr
Bruder.«
Ich krallte meine Hand in Leslies Arm. Da stand wahrhaftig
Gideon auf unserem Schulhof, ganz lässig mit Jeans und T-
Shirt. Und er sprach mit Charlotte.
Leslie wusste sofort Bescheid. »Und ich dachte, seine Haare
wären lang«, sagte sie vorwurfsvoll.
»Sind sie doch auch«, sagte ich.
»Halb lang«, sagte Leslie. »Das ist ein Unterschied. Sehr
cool.«
»Der ist schwul, ich wette fünfzig Pfund, dass er schwul
ist«, sagte Gordon. Er stützte seinen Arm auf meiner Schulter
ab, um besser zwischen Cynthia und mir hindurchschauen zu
können.
»Oh Gott, er berührt sie!«, sagte Cynthia. »Er nimmt ihre
Hand!«
Charlottes Lächeln war bis hierhin gut zu erkennen. Sie lä­
chelte nicht oft (wenn man von dem verkniffenen Mona-Lisa-
Lächeln mal absah), aber wenn sie lächelte, sah sie entzückend
aus. Sie hatte sogar ein Grübchen, das dann zum Vorschein
kam. Gideon musste es auch sehen und ganz sicher fand er sie
gerade alles andere als gewöhnlich.
»Er streichelt ihre Wange!«
Oh mein Gott. Wirklich! Der Stich, den mir das versetzte,
war nicht mehr zu ignorieren. »Und jetzt küsst er sie!«
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Wir hielten alle die Luft an. Es sah tatsächlich so aus, als
würde Gideon Charlotte küssen wollen.
»Aber nur auf die Wange«, sagte Cynthia erleichtert. »Er ist
doch ihr Cousin. Gwenny, bitte sag, dass er ihr Cousin ist.«
»Nein«, sagte ich. »Sie sind nicht verwandt.«
»Und er ist auch nicht schwul«, sagte Leslie.
»Wetten, dass? Guck dir doch mal seinen Siegelring an!«
Charlotte strahlte Gideon noch einmal an und ging be­
schwingten Schrittes davon. Offensichtlich war ihre miese
Stimmung wie weggeblasen.
Gideon wandte sich zu uns um. Mir war klar, was wir für
einen Anblick boten: vier Mädchen und Gordon, gaffend und
kichernd auf der Treppe.
Ich kenne Mädchen wie dich.
Ganz nach Erwartung. Na toll.
»Gwendolyn!«, rief Gideon. »Da bist du ja endlich!«
Kollektives Luftanhalten von Cynthia, Sarah und Gordon.
Und mir selber, um ehrlich zu sein. Nur Leslie blieb cool. Sie
gab mir einen kleinen Schubs. »Beeil dich mal ein bisschen.
Deine Limousine wartet.«
Während ich die Treppe hinunterging, spürte ich die Blicke
der anderen in meinem Rücken. Wahrscheinlich standen ihre
Münder weit offen. Der von Gordon auf jeden Fall.
»Hi«, sagte ich, als ich bei Gideon angelangt war. Mehr
brachte ich gerade nicht heraus. Im Sonnenlicht waren seine
Augen noch leuchtender grün als sonst.
»Hi.« Er betrachtete mich, vielleicht eine Spur zu gründ­
lich. »Bist du über Nacht gewachsen?«
»Nein.« Ich zog die Jacke über der Brust zusammen. »Die
Schuluniform ist eingelaufen.«
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Gideon grinste. Dann schaute er über meine Schulter.
»Sind das deine Freundinnen da oben? Ich glaube, die eine
fällt gerade in Ohnmacht.«
Oh mein Gott. »Das ist Cynthia Dale«, sagte ich, ohne
mich umzudrehen. »Sie leidet unter erhöhtem Östrogenspie­
gel. Falls du Interesse hast, stelle ich gern den Kontakt her.«
Gideons Lächeln vertiefte sich. »Vielleicht komme ich ja
mal darauf zurück. Los jetzt! Wir haben heute noch viel vor.«
Er nahm meinen Arm (von der Treppe ertönte ein lautes
Quieken) und dirigierte mich zur Limousine.
»Ich soll nur meine Hausaufgaben machen. Im Jahr 1956.«
»Die Pläne haben sich geändert.« Gideon öffnete mir die
Wagentür. (Synchron-Kreischen von der Treppe.) »Wir besu­
chen deine Ururgroßmutter. Sie hat ausdrücklich nach dir
verlangt.« Er legte mir die Hand auf den Rücken, um mich ins
Auto zu schieben. (Nochmaliges Kreischen von der Treppe.)
Ich ließ mich auf den Rücksitz fallen. Mir gegenüber warte­
te bereits eine vertraute, rundliche Gestalt.
»Hallo Mr George.«
»Gwendolyn, mein tapferes Mädchen, wie geht es dir heu­
te?« Mr George strahlte mit seiner Glatze um die Wette. Gi­
deon setzte sich neben ihn.
»Ähm, gut, danke.« Ich wurde rot, weil ich daran dachte,
was für ein Bild des Jammers ich gestern Abend abgegeben
haben musste. Aber wenigstens hatte Gideon keine ätzende
Anspielung gemacht. Er benahm sich, als wäre gar nichts ge­
wesen. »Wie war das mit meiner Ururgroßmutter?«, fragte ich
hastig. »Das habe ich nicht verstanden.«
»Ja, wir haben das auch nicht so ganz verstanden«, sagte
Gideon seufzend.
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Die Limousine setzte sich in Bewegung. Ich widerstand der
Versuchung, durch das Rückfenster nach meinen Freunden zu
schauen.
»Margret Tilney, geborene Grand, war die Großmutter dei­
ner Großmutter Arista und die letzte Zeitreisende vor Lucy
und dir. Die Wächter haben sie nach ihrem zweiten Zeit­
sprung 1894 problemlos in den ersten, den ursprünglichen
Chronografen einlesen können. Den Rest ihres Lebens - sie
starb 1944 - hat sie regelmäßig mithilfe des Chronografen
elapsiert, die Annalen schildern sie als freundliche, kooperati­
ve Person.« Mr George rieb sich mit der Hand nervös über die
Glatze. »Während der Bombardements von London im Zwei­
ten Weltkrieg ist eine Gruppe von Wächtern mit ihr und dem
Chronografen aufs Land gezogen. Dort starb sie dann siebe­
nundsechzigjährig an den Folgen einer Lungenentzündung.«
»Wie - Ähm - traurig.« Ich verstand nicht genau, was ich
mit diesen Informationen anfangen sollte.
»Wie du weißt, hat Gideon bereits sieben aus dem Kreis der
Zwölf in der Vergangenheit besucht und ihnen das Blut für
den zweiten, den neuen Chronografen abgenommen. Sechs,
wenn man die Zwillinge als einen zählt. Mit deinem und sei­
nem Blut fehlen also nur noch vier im Kreis. Opal, Jade, Sa­
phir und schwarzer Turmalin.«
»Elaine Burghley, Margret Tilney, Lucy Montrose und Paul
de Villiers«, ergänzte Gideon.
»Die vier müssen noch in der Vergangenheit besucht und
ihr Blut abgezapft werden.« Das hatte ich schon verstanden,
ich war ja nicht ganz blöd.
»Genau. Wir haben nicht gedacht, dass es bei Margret ir­
gendwelche Komplikationen geben könnte.« Mr George lehn­ [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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